Georg Scherer
Blüte und Frucht
 
Ist dies denn noch derselbe Baum,
Darunter ich im Lenz gelegen
Und, seines Duftes froh, den Traum
Geträumt von reichem Erntesegen?
Wer hätte damals wohl gedacht,
Daß diese überreiche Bürde
So hoffnungsvoller Blütenpracht
Nur wenig Früchte reifen würde! -
 
Da schien, vom Windeshauch bewegt,
Der Wipfel flüsternd sich zu neigen:
"Wie steht's um dich, der rasch erregt
Die Früchte zählt an meinen Zweigen?
Was ist von deinen Blüten, sag'!
Von deinen Wünschen, deinem Streben
Zur Frucht gediehn bis diesen Tag?" -
Stumm lag vor mir mein eignes Leben.




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