Ludwig Pfau | Zueignungen

Hölderlin | Die  Weibertreu. An Justinus Kerner | Börne in Paris. 1848

Hölderlin

,,Zu euch, ihr Inseln!
bringt mich vielleicht, zu euch,
Mein Schutzgott einst -"
Hölderlin
Ja, treulich hat der Schutzgott dein gedacht,
Du Griechenseele in des Nordens Banden!
Du ringender Pilot nach sel'gen Landen!
Zertretner Kämpfer in des Lebens Schlacht!

Mit leiser Hand hat er dich losgemacht
Aus Schmerzen, die wie Schlangen dich umwanden;
Als alle Tage dich in Tränen fanden,
Gab er dich hin der stillen Tröstrin Nacht.

So hat dein Gott die Wogen dir geglättet,
Zu deiner Inseln Dichterparadies
Dich, sanft gebracht, in tiefen Schlaf gebettet.

So hat er dich, den selbst die Hoffnung ließ,
Dem göttlichen Odysseus gleich gerettet,
Der träumend an der Heimat Ufer stieß.
 

Die Weibertreu. An Justinus Kerner

In des Schwabenlandes Gauen,
Aus der Auen lichtem Glanze
Steiget frei ein schöner Berg,
In der Reben duft'gem Kranze.

Gleichwie eine Mauerkrone
Auf dem Haupte, trägt er oben
Einer Burg versunkne Pracht,
Von Akazien überwoben.

Und ein Turm, der viel gesehn,
Schauet stumm und kahl hernieder;
Aber nächtlich um ihn her
Säuseln dumpfe Heldenlieder.

Seufzer ziehn und Harfentöne
Dort, wie irrende Gedanken,
Daß im Mondlicht die erschrocknen
Zweige auf und nieder schwanken.

Doch alljährlich kehrt die Nacht,
Wo die Burg sich neu belebet,
Wo der längst versunknen Gruft
Manches Heldenbild entschwebet.

Wo die Mauern, wo die Türme
Kühn sich in die Wolken bauen
Und in ihrer alten Pracht
In das Tal hemiederschauen.

Wo die Fraun, von Liebe stark,
Um's gewölbte Tor sich scharen,
Und mit ihrer teuern Last
Ziehn die Burg hinab in Paaren.

Und am Fuß der Weibertreu
Steht ein Haus auf grünen Matten;
Wie ein Kind in Schutzgeists Hut,
Ruht es in des Berges Schatten.

Noch ein Turm aus alter Zeit
In des HIauses Garten stehet,
Draus gar manches duft'ge Lied
Grüßend zur Ruine wehet.

Und die Geister ziehn herab,
Hören wohlbekannte Klänge,
Wie aus ihrer Jugendzeit
Längstverklungne Minnesänge.

Leise tanzen sie um's Haus,
Grüßend ihren biedern Dichter,
Ihren alten Geisterfreund,
Bis verglühn der Sterne Lichter.

Horch! schon hat der Hahn gekräht,
Und die Morgenlüfte wehen;
Da zerstäubt der leichte Schwarm,
Den nur Sonntagskinder sehen.
 

Börne in Paris. 1846

Hier ruht die weite Stadt zu meinen Füßen,
Gehüllt in Morgennebel, bleich und fahl,
Und dort ist meine Heimat - laß dich grüßen,
Du alte Stätte meiner Lust und Qual!
Sieh! plötzlich kommt die Sonne aufgestiegen,
Die hat zum Gruß mein Deutschland mir gesandt,
Des Berge schon im Morgenschimmer liegen -
Denn wo die Sonne aufgeht, ist mein Vaterland.

Fahr hin, du Grimm, der lang mit mir gerungen,
Du scheues Heimweh, ziehe bei mir ein!
Die alte Liebe hat mein Herz bezwungen:
O Mutter laß dein Kind mich wieder sein!
Hat auch der Bannfluch dieses Haupt getroffen,
Weit durch die Lüfte reich' ich dir die Hand;
Mein Glaube wächst aufs neue und mein Hoffen -
Denn wo die Sonne aufgeht, ist mein Vaterland.

[st auch auf deinem weiten Feld der Schmerzen
Für meine Freiheit nicht der kleinste Platz,
trägt doch manch deutscher Mann im tiefsten Herzen
Das edle Gut als seinen besten Schatz.
Dies müde Herz, es ist wohl bald gebrochen,
Ich sterbe hier, verlassen und verbannt;
Doch an mein Grab wird einst die Freiheit pochen -
Denn wo die Sonne aufgeht, ist mein Vaterland.

Du teures Land, um das ich Weh gelitten,
Du teures Volk, für das mein Herzblut floß,
Nicht fruchtlos hab' ich deinen Streit gestritten:
Still reist die hohe Kraft in deinem Schoß,
Es kommt der Tag, wo deine Fesseln fallen,
Und du dich gürtest mit der Einheit Band;
Dann wirst du ragen frei und groß vor allen -
Denn wo die Sonne aufgeht, ist mein Vaterland.

Leb wohl, mein Land! ich muß hinuntersteigen,
Zur neuen Heimat kehrt der deutsche Gast;
Doch wenn sie unten höhnend auf dich zeigen,
Weil du manch treues Herz verstoßen hast -
Dann sprech' ich, deutend nach des Ostens Toren,
Den Blick der Mörgenröte zugewandt:
Dort wird das heil'ge Licht zur Welt geboren
Und wo die Sonne aufgeht, ist mein Vaterland.


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