Yüksel Pazarkaya
Gedanken auf der Flucht
 
1
Wo blieb mein Holzkoffer
Wie ich in weiter Ferne
 
Dieser Fernseher paßt jedoch nicht in ihn
Der Waschautomat und der Geschirrspüler
Die Sitzgruppe und das Schlafzimmer im Möbelhaus gekauft
Und die Kücheneinrichtung
Sie passen nicht in meinen Holzkoffer
Nicht einmal die Kaffeemaschine
- Da ich hier süchtig wurde nach gefilterten Bohnenkaffee -
Der Staubsauger und die Musikbox
Wie kann doch alles und noch viel mehr
Hineinpassen in den Holzkoffer
 
Eine Handvoll Weizengrütze
Ein Pfund weiße Bohnen und
Eine kleine Flasche Raki und
Die selbstgemachte Hirtenflöte
Hatte ich eingepackt für die Reise
in die Hoffnung die bange
Und einige Lieder die nach Erde rochen
Nach Trennung und Sehnsucht
Einige Lieder verstaut im Holzkoffer
 
2
Meine gestauten Ängste kann ich hier nicht zurücklassen
Meine verbrauchten Hoffnungen
Auch sie will ich mitnehmen
Beschimpfungen gesammelt durch so viele Jahre
Beleidigende Blicke gehäuft zu einem Buckel
Schritte die ich gemacht
Die Kraft meiner Arme dahin auf Fließbändern
 
Die Jahre verflossen vor meinen Augen
Alles alles möchte ich mitnehmen
Dazu noch meine Träume gerade die Träume
Die Luftschlösser die ich baute
Und all meine Verbrauchtheit all meine Erschöpfung
 
Ich soll gehen na gut ich soll gehen von hier
Hier hinterlassen möchte ich jedoch
Nichts von mir
 
3
Wo ist mein Holzkoffer
Wo blieb er liegen
Wo abhanden gekommen mein Ich darin
 
Mit meinem Ich besiegt und verloren
Passe ich nicht mehr in den Holzkoffer
Dafür ins Auto vorm Haus paßt allemal
Ein verlorenes Ich mit seinen sieben Sachen
Gekauft für den Preis jener Hoffnung der bangen
 
4
Seele haucht sich aus Hoffnung nicht
Abgründe reißen sich auf vorm Flüchtling
Es ist kein Fluchtauto das vorm Haus
Der dich zum Gehen auffordert
Hat hier nichts verloren
 
Und hinterlassene Spuren
Lassen sich nicht nitnehmen.




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