Yüksel Pazarkaya
Ich sah den Wandel als einzig beständig in der Welt
 
1
Wie vor Anbruch einer langen Reise
Möchten abreißen die Saiten in mir
 
In mir zuerst wechselte das Wetter - plötzlich nieselte es
Den ganzen Sommer nach Meer gerochen
Öffneten sich meiner Haare dürre Poren
Wolken begleiteten eine Zeitlang den Wind
 
Als wollten sie an den Ozean dahinter erinnern
Schlugen hoch stürzten hinab die Wogen
Die Nacht hindurch grollte das Meer
 
Im Zaungebüsch um die Maisfelder
Zirpten die Grillen einzeln ihre Töne
Die sich in die Landschaft des Gebrauses nisteten
 
Die Wolken wurden zerrissen durch sie hindurch
Zeigte sich der Himmel sternenübersät
Eine Sternschnuppe glitt - in mir glitt der Himmel
 
War's ein Ende, wessen Ende - der Spaziergang des Nachts
Dieser Düfte Tenne und der Wellenkamm
Schaumstreifen in die Nacht gezeichnet
Was wollte dieses Gebraus beenden dieses Gezirpe
 
Nimmst du wahr den Duft der Caprifoliazeen
Gewahrst du den hellen Schaumstreifen
Atmest du in einer Nacht den ganzen Sommer ein
 
2
Wie am Ende eines langen Wartens
Möchten abreißen sogleich abreißen die Saiten in mir
 
In mich wurde wieder das Ende eines Sommers gezeichnet
Ich konnte nicht hin, Aprikosen wurden in meinem Land zerquetscht
Einen Sommer lang hätte ich fast sie vergessen
Sehnsüchte sprossen - verweht mein Verstand ; 3/4.
 
Indes sah ich, wie Tomaten röter wurden
Wie Auberginen wuchsen in wenigen Tagen
Die Einheit des Seins das Glück in der Einheit
 
Die Zwiebel trocknete mit Würde auf der Erde
Die Zwetschgen reiften vor meinen Augen
Die Erde wurde gelb vor Freude, vorm Kreißen des Segens
 
Die Paprika wurde größer gelb und grün
Die Kartoffel drang geduldig an die Oberfläche
Der Betrübnis Linien melierten das Glück
 
Vom Kopfsalat lernte ich die Fruchtbarkeit der Erde
In des Menschen Hand gewahrte ich die Fruchtbarkeit der Erde
In anderem Sinn die Zeit in anderem Sinn die Jahreszeit
Ich sah den Wandel als einzig beständig in der Welt
 
Nimmt du wahr - auf dem Gipfel einer Wandlung bist du
Gewahrst du den satten Herbst aus dem bewegten Sommer
Zitterst du - das Durchzucken des Übergangs in dir
 
 
In einen Augenblick gefaßt das Leben in einen Augenblick gepaßt die Welt
Möchten abreißen sogleich abreißen die Saiten in mir




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