Ferdinand Freiligrath | Barfüßele *)

Nun heißt's: Was kommt dort von der Höh?
Die Räder knirschen durch den Schnee,
Die scharfen Hufe wirft das Pferd -
Sieh da, Freund Bertholds alt Gefährt!

Im Wälderwams auf hohem Sitz,
Im Dreispitz, in der Zipfelmütz',
So fährt er stolz durch Land und Leut',
Der Vautier ist sein Fuhrmann heut.

Barfüßele, sein liebstes Kind,
Fährt mit ihm durch den Schnee und Wund;
Die Wänglein glühn, es wehn die Zöpf',
Ei, welch ein hold und lieb Geschöpf!

Einst hatte sie noch Schuh und Strumpf,
Heut' fährt sie Vautier im Triumph;
Als Gänsemagd saß sie am Rain,
Jetzt mein ich, schaut sie anders drein.

Und nebenan der wackre Knab
Johann auf seinem Silbertrab,
Wie lacht er froh sein Mädel an:
Sie und auch den Gevattersmann.

Der hat sie glücklich doch geeint,
Der macht, daß ihre Sonne scheint;
Der hat sie lebig hingestellt
Ins Volk und in die schöne Welt.

So fahrt denn wohlgemut durchs Land,
Herr Vautier hat 'ne feste Hand:
Er fährt euch recht, er fährt euch gut,
Ihr seid bei ihm in sicherer Hut.

Er kennt die Lust, er kennt das Leid,
Er weiß was rührt, er weiß was freut,
Er weiß was lieb, er weiß was schön,
Und läßt's euch unterm Fahren sehn: -

Den Wald, die Ernte, Spiel und Tanz,
Den Friedhof auch mit Kreuz und Kranz,
Dazu den Kranz, der Bräute ziert,
Den Meiler, den der Dami schürt.

Was alles nicht! Im engen Rahm,
O wundersam, o wonnesam!
Arm und gering, und dennoch groß,
Ein Frauenlos, ein menschenlos!

So fahr denn zu, mein Barfüßlein!
Fahr zu auf deinem Wägelein!
Pflanz deine Schwarzwaldtannen frisch
Auf manchen hellen Weihnachtstisch!

*) Barfüßele von Berthold Auerbauch. Mit Illustrationen von B. Vautier in Düsseldorf. 
 
 

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