Ferdinand Freiligrath | Bei Moritz Hartmanns Abschied von Schwaben
[13. Oktober 1868]

Du bist so gut, du willst nicht geizen,
In deinem festlichsten Gewand,
In allen, allen deinen Reizen
Prangst du noch einmal, schöne Land.
Noch einmal, eh', gedrängt ins Enge,
Sich die Natur zur Ruhe legt,
Und über deine Rebenhänge
Mit eis'gem Hauch der Winter fegt.

O, du bist schön! Um deine Lauben
Die Blätter schimmern rot und falb;
Dein Neckar blitzt um deine Trauben,
Und kühn und hoch ragt deine Alb;
Rings deine Fülle, rings dein Segen,
Ringsum die Keltern, die du färbst;
Gesang und Lust auf allen Wegen
Verkünden weithin deinen Herbst.

Und über dir, in kräft'ger Milde,
Fährt auf die Sonne wie zum Tanz,
Und überschüttet das Gefilde
Mit einem Meer von Licht und Glanz.
>Sie strahlt und lacht, und ruht am Raine,
Und küßt den Hügel, o wie lind!
Des Sängers, der, auch er der Deine,
Vom Tagen sang, wie diese sind.

Ja, dieses sind die sanften Tage,
Dies ist dein herbstlich Feierkleid,
Und richtet wer an dich die Frage,
Warum du's anzogst grade heut:
Ich weiß, du wirst es nicht verschweigen,
Du sagst: Dem Mann, der heute zieht,
Will ich noch einmal ganz mich zeigen,
Und ihm erfüllen das Gemüt.

Du hast ihn kurze Zeit besessen,
Du sahst ihn wirken ernst und still;
Nun soll er dich auch nicht vergessen,
Da ihn ein andrer Acker will!
Du gabst ihm Lust, du gabst ihm Schmerzen,
Du hast dich heimisch ihm bewährt:
Nun trag' er dich in treuem Herzen
Auch an den fernen neuen Herd!

Und wie der Hügel und der Reben,
Gedenk er auch der Männerschar,
Die, eins mit ihm in Sinn und Streben,
Am Neckar ihm verbunden war.
Er ging mit ihr die gleichen Bahnen,
Er focht mir ihr den gleichen Streit,
Er trug mit ihr die gleichen Fahnen, -
Und dieses ist ihr Festgeleit!

So nimm denn einmal noch von allen,
O Freund, den treuen Druck der Hand;
Laß dir in seiner Pracht gefallen,
Noch einmal dieses Schwabenland!
Dann, über dir die ew'gen Lichter,
Ergreife fröhlich du den Stab!
Zieh hin, Freiheitssoldat und Dichter,
Von Uhlands Grab zu Lenaus Grab!

Da sieht die Donau bald dich schaffen,
Wie dich der Neckar schaffen sah;
Glück auf den Weg, Freund, deinen Waffen!
Kein Lebewohl, - du bleibst uns nah!
Du bleibst uns nah! Was hier, was dorten!
In unsern Herzen, unsern Reihn,
Wirst du der Unsre allerorten,
Auch an der deutschen Donau sein!
 
 

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