Tief unter grüner Meereswell',
Auf Muschelkalk und Kies,
Da schlummert mancher Schiffsgesell,
Der Frisch vom Lande stieß.
Die See riß sein gebrechlich
Boot
Hinab auf ihren Grund;
Im Sturme fand er frühen
Tod,
Und war doch so gesund.
Tief unter grüner Meereswog',
Auf Kies und Muschelbank,
Da schlummert mancher andre
noch,
Der nicht im Sturm ertrank.
Er ward in enger Koje kalt,
Kam nie zurück zum
Port.
Man hat ihn auf ein Brett
geschnallt
Und warf ihn über Bord.
Ein großes Grab ist
Meeres Grund,
Ein Kirchhof Meeres Spiegel;
Die Wellen schwellen all
und rund,
Das sind die Grabeshügel.
O, könnte man dort unten
sein,
Wär' Meeresflut verronnen:
Man säh' der Schiffer
lange Reihn,
Säh von Polypen ihr
Gebein,
Das bleiche, rot umsponnen.
Man säh' ihr Kissen:
weiches Moos,
Und Sand und Meereslinsen;
Man säh', wie sie mit
Zähnen bloß
ins Fischgewimmel grinsen.
Man säh', wie ihren
Knochenarm
Der Sägefisch poliert;
Wie sich der Meeresfrauen
Schwarm
Mit seltnen Gaben ziert.
Die eine salbt, die andre
flicht
Ihr Haar, das lang begaffte,
Und schminkt ihr beinern
Angesicht
Mit Purpurschneckensafte.
Die eine singt ein traurig
Lied,
Die kommt mit Muschelschnüren.
Man säh' die tote Schar
umglüht
von wunderbaren Zieren;
Säh' Hand und Knöchel
schön umglänzt
Von gelben Bernsteinschnallen;
Der nackte Schädel
wär' bekränzt
Mit krönenden Korallen.
Und teure Perlen, rein und
weiß,
Das wären ihrer Augen.
Man säh' der Tiefe
bunt Geschmeiß
Ihr Beinmark gierig saugen.
Man sähe jeden schlanken
Mast,
den einst die Flut getragen,
Den jetzt ein Meeresfels
umfaßt,
Einen Toten überragen;
Säh' ihn, benagt von
Fisch und Wurm,
Gewurzelt fest im Torfe:
Der Schläfer meint,
es sei der Turm
In seinem Heimatdorfe. -
Ja, unter grüner Meereswell',
Bei Perlen silberfarb,
Da liegt manch rüstiger
Gesell,
Der in den Wellen starb.
Er schlummert fern von Haus
und Hof;
Keine Blume ziert sein Grab,
Und keine Freundesträne
troff
Auf sein Gesicht hinab.
Er schlummert süß,
umdüstert auch
Sein Grab kein Rosmarin,
Umsäuselt's auch kein
Rosenstrauch,
Keiner Trauerweide Grün,
Was tut's? - und daß
sein Angesicht
kein Tränenregen schlug,
Den Toten im Meere kümmert's
nicht!
Er ist ja naß genug!
*) Wilhelm
Raabe zitiert aus diesem Gedicht leitmotivisch in den "Akten des Vogelsang".
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