Anonymus
Karl Moor
als
Räuber-Anführer
in der Schweiz

Karl Moor wurde auf dem Landgute des Grafen Sonnenschild geboren; Sein Vater Anton Moor war Verwalter beim Grafen, logirte mit seinem Weibe in dem Schlosse zu Wallendorf; er war ein Mann, den der Graf liebte; die Herrschaft hielt sich größtenteils in Worms auf.

Karl war der einzige Sohn, er war gut erzogen. war schön und schlank gewachsen, und war die Freude seiner Aeltern. .Vom Vater beschlossen, ihn nach Refort in die hohe Schule zu schicken, wurde zur Reise alles herbeigeschafft. und Karl reiste ab. Moor wußte sich bald Kameraden zu verschaffen, die aber reiche Aeltern hatten, und es ihnen niemals am Gelde fehlte. Karl wendete sich an seine Mutter, die ihn heimlich mit Geld unterstützte, und so wurde er im Grunde liederlich. Karl erreichte sein 22zigstes Jahr als seine Mutter starb. Er sah seine traurige Lage, und weinte nicht wenig um seine Mutter; er bat den Vater, daß er auf die Vakanzen heim reisen dürfe, um seinen Vater zu sehen. Der alte Vater aus Kindesliebe schickte ihm hinlänglich Geld, allein Karl verspielte bereits die Hälfte des Geldes, er war gezwungen, zu Fuß die Reise anzutreten.

Eines Abends konnte er vor Müdigkeit nicht weiter, und kehrte in einer Schenke ein; hier saßen vier Männer, die froh und munter zechten; Moor setzte sich allein. Die Männer sprachen: Setze dich zu uns, da esse und trinke mit uns. Karl unterhielt sie im Gespräche, und sang einige Lieder; dieses gefiel ihnen. Moor wurde dreist, und frug, was für einer Profession sie wären.; lachend gab einer zur Antwort: Wir lassen die Narren arbeiten; willst du, so kommt mit uns, an Geld soll es dir nicht fehlen, was du siehst, hast du täglich, du kannst mehrere Sprachen, sey unser Anführer, wir schwören dir den Eid der Treue, du findest rüstige Männer in unserer Höhle, die den Tod nicht scheuen.

Ohne Bedenken ging die Reise in die Gebirge; an die Wolken glaubte man reichen die Felsen; man sah hundertjährige Eichen, deren Aeste so verflochten waren, daß die Sonne unmöglich ihre Strahlen auf die Erde bringen konnte. Hier in einem Berge war die Höhle; die Räuber sprangen auf, und grüßten ihre Kameraden, diese sprachen: Hier bringen wir unsern Hauptmann, kommt her, wir werden ihm den Eid der Treue schwören; ja wir schwören alle.

Bald wurde Moor der Schrecken der Schweiz. Reisende wurden angefallen, ermordet, und ihrer Habseligkeiten beraubt. So verflossen zwei Jahre, als Moor schwer krank wurde; man befürchtete seinen Tod; sie hielten Rath, was zu thun sey. Es wurde beschlossen, ihn und einen Mann ansehnlich zu kleiden, dann mit Geld hinlänglich zu versehen, und ihm beim goldenen Anker ein Zimmer zu miethen, und sogleich von einem Arzte behandeln zu lassen, auch jede Woche Rapport zu geben, was bei der Bande vorgefallen sey. Karl war drei Monate in Zürch; während seiner Krankheit geschah manches bei der Bande.

Graf Sonnenschild schrieb an seinen Verwalter, daß er nach Worms kommen, und Geld mitbringen soll, auch hätte er nothwendig persönlich mit ihm zu sprechen. Man fuhr in einer Kutsche nach Worms. Die Räuber brachten dieses in Erfahrung, und sogleich wurde beschlossen, ihn anzugreifen. Die Kutsche kam in den Wald gefahren. Die Räuber sprangen von allen Seiten aus den Gebüschen auf den Wagen los und durch einen Säbelhieb fiel der Kutscher. Moor schoß mit seiner Pistole einen Räuber nieder; allein so vielen Widerstand zu thun, war nicht möglich; er wurde aus dem Wagen herausgerissen. Alle schrieen: Laßt ihn am Leben, er soll in unserm Gefängnisse schrecklich büssen.

Sie nahmen Pferd und Wagen. Der Alte wurde in ihre Höhle gebracht, und gut verwahrt. Nach einigen Wochen kam der Hauptmann gesund bei der Bande an, und als man ihn erzählte, daß der Verwegene hier in Verhaft ist, der ihren besten Kameraden erschossen hat; da befahl Karl ihn zu bringen; man brachte ihn in Ketten, und beim Anblick schrie Karl: Gott! mein Vater: Er schloß ihn in die Arme. Der Alte sprach: Mein Kind! und lag todt in seinen Armen. Die Räuber standen wie vom Schlage getroffen; er wurde begraben, und Rache loderte in Karls Busen. Seines Vaters Vermögen und das ganze Schloß zu berauben, war sein Schluß. Um die Stunde der Mitternacht wurde das Schloß gestürmt; wer sich hier befand, mußte sterben, und alle Kostbarkeiten wurden in ihre Höhle gebracht.

Als Graf Sonnenschild die schreckliche Geschichte erfahren hatte, fuhr er schnell nach Zürch. Es rückte ein Bataillon, mit Spürhunden versehen, gegen die steilen Gebirge aus, und am zweiten Tage fanden die Hunde die Höhle; Moor lag mit sechs Räubern betrunken hingestreckt, als mit gefälltem Bajonett das Militär in die Höhle drang, wo die Räuber sich ergeben mußten, da keine Rettung mehr möglich war. Man brachte sie in die Stadt zurück, verwahrte sie im schweren Kerker, bis das Urtheil bekannt gemacht wurde, daß Moor nebst 6 seiner Räuber durch den Strang werde sterben müssen, welches auch vollzogen wurde. So endete Karl Moor sein Leben am Hochgerichte.
 
 
 

Lied.
 
1.
In der schönsten Blüth' des Lebens
Sein Untergang fand Karl Moor,
Der als Jüngling auf der Reise
Gerieth unter einen Räuber-Chor,
Zum Hauptmann sie ihn erwählten,
Gern zu thun, was ihm gefällt,
Es soll ihm gewiß nichts fehlen
An Speis u. Trank wie auch an Geld.
5.
Stark mit Ketten schwer beladen
brachte man den Alten her,
Karl schrie um Gottes Willen!
Wie kommt denn mein Vater her?
Er faßte ihn in seine Arme;
Der Vater sprach: O großer Gott!
Und in diesem Augenblicke
lag er in seinen Armen todt.
2.
Karl sprach: ja ich will gehen,
Wo ist denn euer Aufenthalt;
In den steilen Felsen-Klüften,
In dem schönen grünen Wald.
Alle Räuber Treue schwören,
Da ihr Hauptmann kommet an,
Und sie sehen mit Erstaunen,
Diesen schönen jungen Mann.
6.
Ich muß mir mein Erbtheil hohlen,
Brüder auf! wir zieh'n gleich aus
In Wallendorf das Schloß bestürmen,
Herrlich sey heut unser Schmaus.
Mit Leitern sie das Schloß bestiegen,
Was lebt muß hier gemordet sein;
Und mit einer reichen Beute kehren
Die Räuber in die Gebirge ein.
3.
Als der Hauptmann nun erkrankte,
Und die Bande war allen,
Mußte ein Verwalter eben
Im Walde angefallen seyn.
Ja der Kutscher stürzt zur Erde,
Der Herr brannte eine Pistole ab,
Ein kühner Räuber mußte fallen,
Fand im Walde hier sein Grab.
7.
Graf Sonnenschild hatte erfahren
Diese grausame, böse That,
Das Militär mußte ausrücken
Und stark besetzen jeden Pfad.
Spürhunde gar bald entdeckten
Den Mördern ihren Aufenthalt,
Die betrunken herumlagen
Vor der Höhle in dem Wald.
4.
Die Räuber reißen ihn zu Boden,
Und führen ihn in ihre Höhl,
Gefangen wurde er gehalten
Bis ihr Hauptmann kommt zur Stell.
Gesund ist Karl Moor gekommen
Wieder bei seiner Bande an,
Und er wünschte gleich zu sehen
Diesen alten kühnen Mann.
8.
Mit gefällten Bajonetten 
drang man auf die Räuber ein,
Karl Moor und sechs Kameraden
mußten hier gefangen seyn.
Seht zum Galgen thut man führen
Karl Moor und seine Band,
Der viel Menschen hat gemordet
In dem schönen Schweizer-Land.

PRAG 1840, gedruckt mit Censurs-Bewilligung bei Wenzel Schlerret.





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