Claus Henneberg | Wie man Siebtexte herstellt

Vorbemerkung.

Siebtexte entstehen durch eine vom Unterbewußtsein gesteuerte Reduktion eines fremden Textes auf einen - dem Text jedoch aufgrund seines Sprachmaterials bereits innewohnenden - (verborgenen) Sinn. Das Ergebnis solcher in strenger Folge wiederholter Reduktionen kann diesen Sinn in ihren einzelnen Stufen übertreibend verdeutlichen, in sein Gegenteil verkehren oder etwas in einem neuen Sinn herstellen. Entscheidend bei diesem Verfahren ist, daß der statische Grundtext aufgebrochen und der Leser in den Prozeß der Entstehung eines Textes mit einbezogen wird. Schließlich ergeben sich durch gelungene Reduktionen Sprachgebilde, die sowohl in den einzelnen Stufen, als auch im Endergebnis nicht nur etwas über den fremden Autor und seine Sprache, sondern vor allem etwas über den Bearbeiter und seine Sprache sagen.

Das Verfahren.

Stufe I
1. Man nehme als Material einen beliebigen Text.
2. Man überfliege diesen Text mit gespannter Unbeteiligtheit - ohne auf Sinnzusammenhänge zu achten.
3. Man notiere sich die dabei gemachten Funde in der Reihenfolge, in der sie aufgetaucht sind.

Stufe II
1. Man verfahre mit dem so entstandenen Text wie in Stufe I/2.
2. Man notiere die bei dieser zweiten Siebung übriggebliebenen Funde.

Stufe III
1. Man wiederhole den Vorgang, bis durch eine dritte, vierte usw. Siebung sich - ohne bewußte Steuerung - allmählich ein eigener Sinn ergibt.

Stufe IV
Man beende die Siebungen im richtigen Augenblick - spätestens aber dann, wenn nur noch ein einziges Wort des Grundtextes übriggeblieben ist.


Erstveröffentlichung eines Siebtextes ("Hof, der fröhliche Stein") im Katalog "Künstler sehen fränkische Städte - Eine Ausstellung des Kuratoriums Franken". Datierung des Grußwortes im Katalog 29. April 1969. Dauer der Wanderausstellung vom 16.5.1969 bis 6.1.1970.


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