Bettina Sorge: Die Stimme bei Joseph Conrad, dargestellt am Beispiel von "The Nigger of the Narcissus", "Heart of Darkness" und "Typhoon"

5. Typhoon

Die einzige mir bekannte explizite Untersuchung der Stimme in Typhoon ist Christoph Wegelins 1975 erschienener Aufsatz "MacWhirr and the Testimony of the Human Voice". Darin stellt Wegelin die Vergöttlichung der Stimme MacWhirrs dar und setzt MacWhirr dann mit dem Schriftsteller gleich, der "man's final interpreter" sei und dessen Stimme noch am Tag des jüngsten Gerichts spräche. (91) Die Parallele zwischen einer Stimmbeschreibung von MacWhirrs Stimme in Typhoon und einem Ausschnitt aus dem Essay, den Conrad 1905 über Henry James schrieb, ist in der Tat auffällig:

a man's voice - the frail and indomitable sound that can be made to carry an infinity of thought, resolution and purpose, that shall be pronouncing confident words on the last day, when heavens fall, and justice is done... (T,S.44)

When the last aqueduct shall have crumbled to pieces, the last airship fallen to the ground, the last blade of grass have died upon a dying earth, (...) the artistic faculty,..., may find its voice in some individual..., gifted with a power of expression and courageous enough to interpret the ultimate experience of mankind in terms of his temperament, in terms of art (...) He is so much of a voice that, for him, silence is like death;... It is safe to affirm that, if anybody, it will be the imaginative man who would be moved to speak on the eve of that day without tomorrow... (92)

Doch daraus die Folgerung zu ziehen, in MacWhirr den Schriftsteller zu sehen, den "imaginative man", halte ich für einen Trugschluß. MacWhirr hat zu Anfang keinerlei Imaginationsfähigkeit, erst im Sturm beginnt er solche zu entwickeln, wie wir später noch sehen werden. Seine Briefe sind so langweilig, weil sie nur Fakten aufzählen, daß seine Frau sie nur oberflächlich überfliegt. Auch sein

Erlebnis im Sturm scheint seinen Schreibstil nicht wesentlich verändert zu haben, sonst hätte dies Mrs. MacWhirr selbst bei oberflächlichem Lesen auffallen müssen. Vielleicht hatte Conrad bei dem Ausschnitt aus seinem James-Essay eher an einen Dichter der alten Zeit gedacht, einen ossianischen Sänger, der seine Stimme angesichts der Naturgewalten erhebt. Doch auch dies ist auf MacWhirr nicht anwendbar, denn es kommt bei ihm nicht darauf an, welche Gedanken er über das Medium der Stimme ausdrückt, sondern auf die Gefühle der Zuversicht und Hoffnung, die seine Stimme in Jukes auslöst.

Wegelin definiert Stimme als "man's primary distinction from mute and inarticulate nature, the instrument of thought and song and hence of what we like to call immortality." (93) Diese Definition scheint mir in Bezug auf Conrad problematisch, da bei ihm Natur alles anders als stumm ist, wie wir gerade am Beispiel der Wildnis in Heart of Darkness gesehen haben. Auch stehen äußerst selten die Gedanken im Vordergrund, sondern die Art, wie gesprochen wird.

Den anderen Beobachtungen Wegelins ist zuzustimmen. Die Stimme MacWhirrs wird zur Stimme der Menschheit und beinahe zur Stimme Gottes, was Wegelin mit biblischen Zitaten belegt. MacWhirr jedoch ist nicht Herr der Elemente wie Gott. "And the frail but indomitable voice of the final confrontation is explicitly man's." (94)

Die Stimme MacWhirrs ist von einem "halo" umgeben, das einen auditiven Eindruck sichtbar macht, wie im Nigger of the "Narcissus" die Stimmen der Crew als Wellen sichtbar werden. Griem vergleicht dies mit einer der berühmtesten Passagen aus Heart of Darkness, in der Marlows Erzählweise beschrieben wird:

...to him the meaning of an episode was not inside like a kernel but outside, enveloping the tale which brought it out only as a glow brings out a haze, in the likeness of one of these misty halos that sometimes are made visible by the spectral illumiation of moonshine. (HoD,S.18)

Griem deutet dies als einen Versuch, eine Stimme sichtbar zu machen. (95) Das würde bedeuten, daß nicht das, was Marlow erzählt, sondern wie er es erzählt, die Bedeutung der Geschichte trägt. Die gewagte, aber schlüssige These ließe sich mit der Lesart Londons verbinden, nach der Stimme in Heart of Darkness häufig ein optisches Phänomen ist.

Griem zieht außerdem Parallelen zwischen Marlow und Kurtz einerseits und MacWhirr andererseits. Bei allen dreien löst sich die Stimme vom Körper des Sprechers, doch MacWhirrs Stimme gewinnt durch diese Loslösung transzendentale Aussagekraft, während Marlow und Kurtz fragmentiert erscheinen, Kurtz innen hohl ist und deshalb, so Griem, können die Stimmen der beiden gerade diese transzendentale Aussagekraft nicht mehr erreichen. (96) Dabei übersieht sie, daß MacWhirr genauso fragmentiert erscheint, wie noch zu zeigen sein wird, und daß die sich vom Körper lösende Stimme so einfach bei Conrad nicht zu deuten ist.



91) Christof Wegelin,"MacWhirr and the Testimony of Human Voice", Conradiana 7(1975): 48.
92) Joseph Conrad, Notes on Life and Letters (London, Toronto: Dent, 1924): 13f.
93) Wegelin 1975, 46.
94) Ebd., 47.
95) Vgl. Griem 1995, 157.
96) Vgl. ebd., 158f.

Zum Literaturverzeichnis


5.1 MacWhirr

Captain MacWhirr, mit dessen Charakterisierung Typhoon beginnt, hat keine herausragenden Eigenschaften. Sein Äußeres ist das vollkommene Widerspiel seines Charakters, er ist gewöhnlich, ausdruckslos und unbeweglich. Er ist etwas scheu und hält die Augen meist niedergeschlagen, was die Augenblicke, in denen er sie erhebt, besonders betont. MacWhirr hat keine Vorstellungskraft und lebt nur in der Gegenwart.

... but the past being to his mind done with, and the future not there yet, the more general actualities of the day required no comment - because facts can speak for themselves with overwhelming precision. (T,S.9)

Er spricht sehr wenig und läßt statt dessen Fakten sprechen. Wieso die Landratten und auch Jukes soviel zu sagen haben, ist ihm unverständlich, er hält dies für überflüssig und repetitiv. Die Sprache der See ist MacWhirrs Sprache, klar und faktengetreu.

Auch in den Briefen an seine Familie hält er sich an diese Details, die in ihrer Faktizität zu ihm sprechen, doch seiner Frau nur ein Gähnen entlocken.

Da MacWhirr keinerlei Vorstellungskraft besitzt, versteht er alles wörtlich. Daraus ergeben sich einige komische Auseinandersetzungen mit Jukes, seinem Ersten Steuermann, der wie Jim, Conrads Held aus Lord Jim, zuviel Imagination hat (97) und Metaphern und Vergleiche verwendet, über die MacWhirr wütend wird. Jukes meint z.B. einmal, er habe das Gefühl, sein Kopf sei mit einer wollenen Bettdecke umwickelt. Darauf MacWhirr: "D'ye mean to say, Mr. Jukes, you ever had your head tied up in a blanket? What was that for?" (T,S.25)

Der alles wörtlich nehmende MacWhirr "lehnt sogar das Prinzip der Arbitrarität von Zeichen ab (...) und endet damit bei einer Art Kommunikation, die nur noch Tautologien zuläßt: 'A gale is a gale, Mr. Jukes'." (98)

MacWhirr mißtraut aber nicht nur Worten, sondern auch Büchern. "You don't find everything in books." (T,S.34) Als selbst er vom tiefen Fallen des Barometers beunruhigt ist, obwohl es weit außerhalb seiner Fähigkeiten liegt, sich einen Typhoon vorzustellen, greift er doch zu einem nautischen Nachschlagewerk. Doch er wird wütend über die Abstraktion, zu der er keinen Zugang hat, weil er nur der unmittelbaren Erfahrung vertraut.

Auffällig ist, je näher der Sturm rückt, desto mehr spricht MacWhirr.

Es wird später vom Erzähler so dargestellt, als hätte der Sturm MacWhirr nur mit äußerster Anstrengung ein paar Worte entrissen:

The hurricane with its power to madden the seas, to sink ships, to uproot trees, to overturn strong walls and dash the very birds of the air to the ground, had found this taciturn man in its path, and doing its utmost, had managed to wring out a few words. (T,S.90)

Die Stimme MacWhirrs wird oft als Metonymie verwendet. Auf S.67 z.B. wird viermal "the voice" anstelle seines Namens oder eines Pronomens verwendet. Seine Stimme ist "earnest" und "low". Die Verben, die am häufigsten für sein Sprechen verwendet werden, drücken geringe Lautstärke aus: "mutter", "mumble", "speak just audibly", "subdued voice". Doch als das Tosen des Taifuns um ihn herum immer lauter wird, muß auch er seine Stimme erheben. MacWhirr steht mit Jukes auf der Brücke, während der Sturm alle Sterne auslöscht und es so dunkel wird, daß man die Hand vor Augen nicht sieht. Außerdem müssen beide die Augen geschlossen halten zum Schutz vor spritzendem Salzwasser. Jukes wird beinahe über Bord gespült und kriecht mit letzter Kraft auf die Brücke zurück:

... he discovered that he had become somehow mixed up with a face, an oilskin coat, somebody's boots. He clawed ferociously all these things in turn, lost them, found them again, lost them once more, and finally was himself caught in the firm clasp of a pair of stout arms. He returned the embrace closely round a thick solid body. He had found his captain. (S.42)

Jukes irrt blind im Tosen der Elemente herum und findet schließlich Teile des Körpers seines Captains, die als einzeln existierende Dinge beschrieben werden und erst im Satz "He had found his captain" zu einem Körper zusammengesetzt werden. Der Tastsinn allein kann, wenn der Sehsinn versagt, am Anfang nur ein fragmentiertes Bild liefern.

Jukes und sein Captain klammern sich aneinander, während sie sich schreiend verständigen, und sobald sie einander loslassen, hören sie für den anderen zu existieren auf. Jukes preßt seine Lippen an das Ohr seines Captains: "He poked his head forward, groping for the ear of his commander. His lips touched it - big, fleshy, very wet." (T,S.44) Die Lippen am Ohr implizieren eine Verführungsszene. Dies nutzt Conrad hier zu einer komischen Szene mit homoerotischen Anklängen. In dieser Situation und in merkwürdig ernstem Ton im Unterschied zum Humor der Gesprächssituation wird fr Jukes die Stimme seines Captains zur Stimme des Menschen schlechthin.

And again he heard that voice, forced and ringing feebly, but with a penetrating effect of quietness in the enormous discord of voices, as if sent out from some remote spot of peace beyond the black wastes of the gale; again he heard a man's voice - the frail and indomitable sound that can be made to carry an infinity of thought, resolution and purpose, that shall be pronouncing confident words on the last day, when heavens fall, and justice is done - again he heard it, and it was crying to him, as if from very, very far - "All right". (S.44)

Die Stimme seines Captains bringt Jukes Ruhe und Frieden im tosenden Chaos, das ihn umgibt. Sie wird zur Stimme der Menschheit, die noch am Jüngsten Tage erklingen wird, Trägerin einer Unendlichkeit an Gedanken und Willen.

Doch die Worte des Captains sind zweitranging; Jukes fühlt sich getröstet und gestärkt, weil in der Mitte des sie umgebenden Chaos die menschliche Stimme immer noch existiert und sogar über den Sturm triumphiert.

And Jukes heard the voice of his commander hardly any louder than before, but nearer, as though, starting to march athwart the prodigious rush of the hurricane, it had approached him, bearing that strange effect of quietness like the serene glow of a halo. (S.46)

Die Stimme nähert sich Jukes wie ein Mensch mit einer Aura von Ruhe. Wieder wird ein auditiver Eindruck visualisiert.

Die Stimme MacWhirrs, "vigorous" und "evanescent" zugleich, ist der Zwergenlaut, der den Sturm besiegt: "the dwarf sound, unconquered in the giant tumult." (T,S.49) Wie der Crew der "Narcissus", so werden auch MacWhirr Worte vom Munde weggerissen, doch legt in Typhoon der Erzähler großen Wert darauf, daß die Stimme des Menschen stärker ist als der Sturm. Später wird MacWhirrs Stimme als "the voice that would not be silenced" (T,S.53) beschrieben. Dies erinnert an Marlows "Mine is the speech that cannot be silenced." (HoD,S.63)

Als MacWhirr Jukes nach unten schickt, um nach den Chinesen zu sehen, zögert Jukes und wäre am liebsten wieder zurück auf die Brücke geklettert, doch "the remembrance of Captain MacWhirr's voice made this impossible." (T,S.62)

Als Jukes im Maschinenraum landet, kann er mit seinem Captain durch ein Sprachrohr sprechen. Hier wird MacWhirr als die Stimme von oben beschrieben, die den Sturm einfach beiseite schiebt. "... presently a small voice shoved aside the shouting hurricane quietly." (T,S.72) Manicom meint dazu:

In its quiet smallness, the voice in which MacWhirr directs Jukes may remind us of the 'still small voice' in which the Lord directs Elijah; its setting may recall the voice in which He answers Job 'out of the whirlwind'. (99)

Doch natürlich ist MacWhirr nicht Gott, auch wenn er für Jukes eine gottähnliche Stellung einnimmt, sondern ganz Mensch. Die klare Stimme des Menschen triumphiert über den Sturm im Unterschied zu Marlow, der versucht, gegen die Stimmen der Vergangenheit anzureden, doch der letztlich scheitert.

Sein Erlebnis hat MacWhirr verändert, er hat, wenn man so will, eine Art Initiation hinter sich. Als er sich vorstellt, wie es den Chinesen unter Deck geht, die wie ein wahnsinniges Knäuel von Leibern hin und her rollen, ist ihm, der vorher keinerlei Phantasie besaß, diese Vorstellung unerträglich. Im ersten Teil der Kurzgeschichte eher eine Art komischer Held, wächst MacWhirr im Sturm über sich hinaus und wird für Jukes, der bisher nur verächtlich auf ihn herabgesehen hat, zu einer Art Gott. Dabei gewinnt die Stimme MacWhirrs für Jukes die gleiche Bedeutung wie die von Kurtz für Marlow. Beide erliegen der Faszination einer Stimme, die sich nicht aus dem erklärt, was diese Stimme tatsächlich sagt. Während Marlow jedoch nur den Schrecken der Stimme findet, "not its catharsis" (100), und noch immer von Stimmen verfolgt wird, so bedeutet für Jukes die Stimme seines Captains Ruhe, Frieden und Macht.



97) Zum Vergleich Jim und Jukes vgl. ausführlich Daleski 1977, 104ff.
98) Griem 1995, 163.
99) Manicom 1986, 47.
100) Ross 1989, 233.

Zum Literaturverzeichnis


5.2 Jukes

Jukes ist in allem das Gegenteil seines Captains. Ist dieser gelassen und ruhig, so ist jener emotional und aufbrausend. Hat MacWhirr so gut wie keine Imaginationsfähigkeit, so hat Jukes zuviel davon. MacWhirrs Sprache ist faktengetreu und einfach, Jukes verwendet Bilder und Metaphern. MacWhirr redet wenig und mit leiser Stimme; Jukes redet viel und seine habituelle Stimme ist klar und schallend. "Shouting in his fresh, stentorian voice..." (T,S.39) Dabei drückt das Possessivpronomen aus, daß es sich um seine habituelle Stimmqualität handelt und nicht um eine Augenblicksstimme. Viele verschiedene Verben werden benutzt, um seine Augenblicksstimme zu charakterisieren, z.B. "yell", "cry", "mumble", "shout", "howl", "bawl", "scream", "grumble". Man sieht, daß auch diese meist auf eine laute Stimme hinweisen und oft auch auf emotionale Aufgewühltheit im Unterschied zu den bei MacWhirr hauptsächlich verwendeten Verben "mutter" und "mumble".

Während MacWhirrs Stimme für Jukes zum Inbegriff von Ruhe wird, läßt dieser sich gehen und verliert im Sturm körperlichen und geistigen Halt. Dabei übernimmt seine Stimme etwas von der Qualität des Sturms. "...and of his cry the inaudible vibration added to the tempest waves of the air." (T,S.47)

Während MacWhirrs Stimme gegen den Sturm kämpft "like a ship battling against the waves of an ocean" (T,S.48), verflüssigt sich Jukes Stimme: "His voice, blank and forced as though he were talking through hard-set teeth, seemed to flow away on all sides into the darkness, deepening again upon the sea." (T,S.87) Seine Stimme wird über der See wieder lauter, als würde sie von dort Kraft beziehen. Während MacWhirrs Stimme zur Stimme des Menschen schlechthin wird, so parallelisiert der Erzähler die Stimme Jukes' mit dem Sturm und der See, ebenso wie die Stimmen der Crew auf der "Narcissus".

5.3 Die Chinesen und der Sturm

Die "Nan-Shan" soll zweihundert chinesische Kulis in ihre Heimat zurückbringen, die ihre Arbeitskraft fr mehrere Jahre verkauft hatten und nun mit allen Habseligkeiten heimkehren. Sie werden im Zwischendeck untergebracht. Jukes zeigt einem Chinesen, der als Dolmetscher dient, die Unterkunft. Dabei schildert Conrad die Unterhaltung, in der Jukes in einer Art Pidgin-Englisch radebricht, als Anhäufung von Klischees. Jukes fühlt sich dem Chinesen, der durch seine Mandelaugen und durch die Unfähigkeit, zwischen den Labialen l und r zu unterscheiden, charakterisiert wird, aufgrund seiner weißen Rasse überlegen. Wie meist stellt Conrad diese Stereotypen nicht in Frage, sondern zeigt sie als Ansicht von Jukes und überläßt es den Lesern, diese Klischees aufzudecken, wobei unklar bleibt, ob dies ein bewußt eingesetztes ästhetisches Mittel Conrads war oder ob er einfach den vorherrschenden imperialistischen Diskurs wiederholt.

Den Chinesen wird, wie den Eingeborenen in Heart of Darkness auch, jede Individualität abgesprochen. Um ihre Silberdollars kämpfend, die im Sturm im Raum verstreut wurden, erscheinen sie als eine Art menschlicher Sturm, genauso laut, gefährlich und chaotisch wie der Taifun, der die "Nan-Shan" in seinen Fängen hält. Als der Bootsmann MacWhirr berichtet, wie er die Chinesen zum ersten Mal hört, sind es Sturmlaute, die er beschreibt. "...it was though he had opened the door to the sounds of the tempest." (T,S.57)

Die Leiber der Chinesen zeigen sich dem Bootsmann als zusammengeballte Masse oder fragmentiert.

Jukes macht später dieselbe Erfahrung:

...Jukes saw a head bang the deck violently, two thick calves waving on high, muscular arms twined round a naked body, a yellow-face, open-mouthed and with a set wild stare, look up and slide away. (...) and farther off, indistinct, others streamed like a mass of rolling stones down a bank. (T,S.62)

...Jukes emerged waistdeep in a multitude of clawing hands. (...) The central struggling mass of Chinamen went over to the roll, dark, indistinct, helpless, with a wild gleam of many eyes in the dim light of the lamps." (T,S.77)

Die Masse gibt Schreie von sich, die vor allem mit den Ver-ben bzw. Substantiven "shriek", "howl", "cry" und "scream" beschrieben werden.

...it seemed that an eddy of the hurricane (...) had all these bodies whirling like dust: there came to them a confused uproar, a tempestuous tumult, a fierce mutter, gusts of screams dying away, and the tramping of feet mingling with the blows of the sea. (T,S.77)

Die Metaphorik, die Conrad hier benutzt, ist eindeutig eine Sturmmetaphorik: "whirling", "uproar", "tempestuous", "gusts", und zum Schluß verschmelzen sogar die trampelnden Füße mit den Schlägen der Wellen. Die figurative Sprache der Sturmbeschreibung wird zur buchstäblichen Denotation der Kulis.

Umgekehrt gibt der Sturm entsetzliche Schreie von sich, die menschlichen Charakter annehmen und Wut und Schmerz auszudrücken scheinen. Genau diese Gefühle verkörpern die Chinesen; in blinder Wut kämpfen sie um ihre Silberdollars und schreien vor Schmerz, weil sie sich beinahe gegenseitig tottrampeln.

Der Wind schließlich klingt, als die Chinesen schon längst festgebunden sind, immer noch wie "the chant of a tramping multitude." (T,S.90)

Der Sturm in Typhoon wird mit überraschend wenig Stimmmetaphorik beschrieben im Unterschied zum Sturm im Nigger of the "Narcissus", vor allem, wenn man bedenkt, daß der Taifun sogar titelgebend ist. Der Sturm reißt die Worte von den Lippen der Sprecher weg, doch MacWhirrs Stimme triumphiert über ihn. Ansonsten wird er mit dem menschlichen Sturm der Chinesen gleichgesetzt. Fühlt Jukes sich im wirklichen Sturm hoffnungslos und niedergeschlagen, so gelingt es ihm doch, von der Stimme seines Herrn geleitet, des menschlichen Sturms Herr zu werden.

Eine Kommunikation zwischen Seeleuten und Chinesen ist allerdings unmöglich. Conrad kontrastiert die Sicht der Chinesen, die in den Weißen Teufel sehen, die sie in "gruff words of encouragement that sounded like promises of evil" (T,S.79) anreden, mit der Sicht der Weißen auf die Chinesen:

... the incomprehensible guttural hooting sounds, that did not seem to belong to a human language, penetrated Jukes with a strange emotion as if a brute had tried to be eloquent.

Two more started mouthing what seemed to Jukes fierce denunciations; the others stirred with grunts and growls. (T,S.80)

Wie Marlow die Sprache der Eingeborenen, so erscheint auch Jukes die Sprache der Chinesen unverständlich, ja sogar nicht-menschlich, also tierisch. Auch einige der Verben, die verwendet werden, um die Stimmqualität der Chinesen zu beschreiben, verweisen auf Tierstimmen: "howl", "grunt", "growl".

Doch anders als in Heart of Darkness schildert Conrad hier die Weißen auch aus der Sicht der Chinesen, allerdings zu kurz, um die rassistischen Stereotypen völlig aufzuwiegen. Die Chinesen erscheinen noch extremer als die Schwarzen in Heart of Darkness als schreiende Masse Körper, die zu Klumpen zusammengeballt sind und vom Betrachter, dessen Auge wieder einmal überfordert ist, nur in Einzelteilen wahrnehmbar sind.

5.4 Zusammenfassung

Die Stimme wird in Typhoon nur in sehr begrenztem Rahmen zur Charakterisierung verwendet. Die Stimme MacWhirrs ist leise und ernst, was seinem Charakter entspricht, wogegen die Stimme von Jukes laut ist und oft emotionale Beteiligung ausdrückt.

Vielmehr als nur zur Charakterisierung benutzt zu werden, wird die Stimme in Typhoon selbst zum Thema. Es ist die Stimme, an der Conrad zeigt, wie ein einfacher, komischer Held in einer Krisensituation über sich hinauswachsen und in den Augen von Jukes zum Vorbild ebenso wie zum Vertreter der Menschheit schlechthin werden kann. Jukes' Stimme dagegen verflüssigt sich und wird zu Naturlauten wie auch die Stimmen der Chinesen und die Stimme des Sturms parallelisiert werden.

Auch in Typhoon leidet der Körper unter der starken Betonung der Stimme. Die Augen versagen wieder einmal vor der Dunkelheit und dem natürlichen sowie menschlichen Sturm. So erscheinen die Körper des Captains und der Chinesen für den Betrachter fragmentiert, so wie Jukes MacWhirr nur ertastet hat oder wie der Bootsmann und Jukes die Chinesen als Masse nur in Einzelteilen erkennen konnten.


Zurück zu  Heart of Darkness / Weiter zu Schlußbetrachtung