Leopold Marx | Würzburg

- 1922 -

"Hier bleib ich," sprach der Herr, "hier ist gut sein."
Er ließ sich Kirchen und Kapellen bauen
und fand es hübsch, vom Bergrand zu beschauen
die bunt vergnügte Stadt und ihren Wein;

und war er durstig, kehrt' er auch wohl ein
(just nicht mit Urlaub Unsrer Lieben Frauen).
Du fragst mich, wo. Darf's keinem anvertrauen.
Verdienst du's, winkt er dich von selbst herein.

Der Fluß glänzt silbern. Viele Glocken läuten.
Der Abend schleiert leise ein die Stadt.
"Tags wußt ich sie mir nicht so recht zu deuten..."

"Warum?" - "Zu weich, verspielt und sinnensatt."
"So?!" sagt der Herr, zupft mich am Ohr und lacht:
"Trink diesen Wein - und schweige! - Gute Nacht!"

- 1958 -

Das war einmal.. Heut wohnt, der sprach: Es werde,
euch, die Sein Ebenbild geschändet, fern.
Vielleicht, wer weiß, verließ Er diese Erde
und fand sich einen wohlbeschaffnern Stern
und überließ, um diesen sich zu kümmern,
dem Menschen ganz; und gab in seine Hand
die Macht, die Mittel und den Unverstand
die Erde zu vergiften und zertrümmern.

Noch blühn dort Reben, gärt im Faß der Wein,
noch glänzt der Fluß und spiegelt Burg und Lichter
und sehr mit sich zufriedene Gesichter
und echot Worte wie "Hier ist gut sein!"
Vielleicht! Ich weiß es nicht, bin Wissens satt..

Im Lebens-Buch noch ein zerriß'nes Blatt.