Leopold Marx | Drei Gestalten

Moscheh

Sein Wandel war nicht in der sumpfigen Tiefe,
die bis ans Mark traf seines Volkes Kraft.
Kein Ahnen war in ihm, daß sie ihn riefe -
er ging den Gang der Großen, herrenhaft.
Sein Blut nur wußte dnmpf: ich bin von jenen.
Da sah er, wie der Fronvogt einen schlug,
und schäumend brach der Zorn ihm aus den Zähnen:
So sprengt der Most, der gärt, verkorkten Krug.

Er schlug, erschlug. Er hatte Blut vergossen.
Blut rauschte auf und band sich an das Blut.
Zag ward das Volk vorm Zornmut des Genossen --
Im Wüstenwind ging seine Spur verloren.
Im Wüstenwind aus Dorn flammt Gottes Glut --
So ward ein Mann erwählt, ein Volk geboren.

Herzl

Sein Weg war oben, fern den Niederungen,
wo man nur harrte, betete und litt.
Auf wen? Um was? Er fühlte es nicht mit.
Kein Ruf von von war an sein Ohr gedrungen,
sein Blut nur wußte dumpf: ich bin von jenen...
Ein Jude wurde ohne Schuld verdammt,
da brach der Zorn aus ihm in blutigen Tränen.
So wuchs ein Mann und mit dem Mann ein Amt.

Das Volk war tot. Er weckte es zum Leben.
Wo Sumpf gärt, Wüste glüht, sah er: das Land.
Sein Wille wurde stark am Widerstreben.
Sein Teil blieb, wie des Ahns, Ruf, Führung, Schauen...
Die Gottesglut hat ihn zu früh verbrannt.
Sein Denkmal ist ein Volk. Es lernte bauen.

1933

Chajim Weizmann

Wenn wir an großen Worten uns berauschen
und mit sehr kleinen Taten wichtig tun -
wenn wir mit alten, ausgetretnen Schuhn
um Kalbzeug tanzen, Lügenpriestern lauschen,
um alte Weisheit neue Torheit tauschen
um echten Purpur schillernden Kattun;
wenn wir den Sinn zerklügeln, Un-Sinn bauschen
und jedem Hahn nachgackern wie ein Huhn,

- dann sitzt wohl einer still in seiner Klause,
der denkt, wenn andre Reden kalten - tut,
wenn andere geschäftig sind - der ruht
in seines Wesens wurzelsichrer Mitte:
ein Jude und ein Mensch...
                                          und seiner Schritte

bedächtig Gleichmaß führt sein Volk nach Hause.

1944
 
 

Stuttgarter Poetscorner'le