Hermann Hesse
Die gestutzte Eiche

Wie haben sie dich, Baum, verschnitten,
Wie stehst du fremd und sonderbar,
Wie hast du hundertmal gelitten, 
Bis nur noch Trotz und Wille in dir war!
Ich bin wie du, mit dem verschnittnen,
Verquälten Leben brech ich nicht
Und tauche täglich aus durchlittnen
Rohheiten neu die Stirn ans Licht.
Was in mir weich und zart gewesen,
Hat mir die Welt geknickt, verhöhnt,
Doch unzerstörbar ist mein Wesen,
Ich bin zufrieden, bin versöhnt.
Geduldig neue Blätter treib ich
Aus Ästen hundertmal zerspellt.
Und allem Weh zu Trotze bleib ich
Verliebt in diese tolle Welt.

 
 
 

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