Reinhard Döhl | BioBibliograffiti | Pro domo | Interviews
Gespräch Monika Schmidt [Graz] / Reinhard Döhl

[Die Fragen wurden am 24.12.95 brieflich formuliert und sind zur schriftlichen Beantwortung am 26.12.95 gelegentlich umgestellt worden. Auf ihrer Basis fand am 27.12.95 ein mündliches Gespräch statt, das in stark gekürzter Form in der Nullnummer der Zeitschrift "Liqueur" des Grazer "Forum Stadtpark" erschienen ist; auch im Internet.]

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie als Altavantgardist angesprochen werden?

Das kann ich nicht sagen, weil dies bis heute noch nicht der Fall war. Außerdem weiß ich nicht, was das Wort bezeichnen will.

Von den radikaleren künstlerischen Tendenzen der Endfünfziger/ Sechziger Jahre spricht man gelegentlich als zweiter Avantgarde. Das macht auch Sinn, denn sie fußten ja auf den Avantgarde-Bewegungen zu Beginn des Jahrhunderts, schrieben sich z.T. ausdrücklich von ihnen her. Heute wissen wir, daß wir sogar noch weiter zurückgehen müßten: bis ans Ende des 18. Jahrhunderts (ich gebe als Stichworte die damals virulenten Begriffe Genie und Dilettant; die Suspensierung der Religion durch die Ästhetik z.B. in Schellings Identitätssystem; die Zunahme an Doppelbegabungen etc.). Dann wäre ein Altavantgardist so etwas wie ein Enkel der zweiten und ein Urenkel der Avantgarde zu Beginn des Jahrhunderts. Und das wäre kulturgeschichtlich ja auch ganz in Ordnung. Aber ich vermute, die Bezeichnung ist eher negativ gemeint. Dann würde mich interessieren, was sie kritisieren will. Aber, wie gesagt, mir besagt die Bezeichnung bisher nichts.

Wie gliedern Sie Ihr literarisches Schaffen in die zeitgenössischen Strömungen und wie ordnen Sie sich in die Literaturgeschichte ein?

Das Einordnen überlasse ich lieber den Historikern. In der Literaturgeschichte bin ich überdies nur bedingt zu Hause. Denn wenn ich von sogenannter Primanerlyrik absehe, habe ich künstlerisch ernsthaft mit Fotografieren begonnen und wollte eigentlich auf eine Kunstakademie. Das war 1954/55. Nur - Fotografieren hielt man damals (noch) nicht für Kunst. Und obwohl ich nach meinen ersten Veröffentlichungen (vor allem der "missa profana") zunächst als Autor bekannter wurde, habe ich seit den 50er Jahren immer auch künstlerisch gearbeitet, mit fließenden Grenzen zu Literatur und Musik, wenn ich z.B. an meine grafischen Partituren denke, die z.T. von Musikern instrumental, z.T. chorisch (u.a. von der "Schola Cantorum" und "Wortissimo") realisiert wurden. In den letzten Jahren fotografiere ich gelegentlich wieder. Ich möchte dies alles nicht trennen, sondern noch mit meinen wissenschaftlichen Interessen verbinden, die auf das Phänomen der Doppelbegabung ebenso zielen wie auf die Kunstrevolution zu Beginn dieses Jahrhunderts. Entsprechend fühle ich mich praktisch und theoretisch weniger zeitgenössischen Strömungen als einer umfassenderen Tradition zugehörig, wie ich sie einleitend anzudeuten versucht habe.

Rückblickend, welche Entwicklung haben sie in ihrer künstlerischen [literarischen] Arbeit genommen?

Ich hoffe, eine konsequente.

Haben Sie eine Zielsetzung, einen Wunsch, worauf Sie mit Ihrer Arbeit hinaus bzw. was Sie verwirklichen wollen?

Ich denke, ja. Was allerdings nicht von Anfang an der Fall war. Da war ich zunächst nur neugierig auf das, was man machen konnte, wenn man etwas ernsthaft machen wollte. Da galt es, sich überhaupt erst einmal zurecht zu finden, tradierte Vorurteile abzubauen, sich ein eigenes Repertoire zu schaffen und passende Spielregeln zu entwickeln. Die zweite "Documenta" war für mich ein regelrechter aber zugleich heilsamer Schock. Und ein Diktum Schwitters', daß man den Begriff der Kunst erst los werden müsse, um zur Kunst zu gelangen, ist mir seither stets wichtig geblieben. Später kam anderes hinzu, Mallarmés livre-Konzeption, Apollinaires Prospekt und Unterscheidung eines visuellen und eines akustischen Buches der Zukunft zum Beispiel, oder die Auffassung André Thomkins, daß Kunst aus Etwas etwas Anderes mache. Besonders wichtig wurde mir aber eine Einsicht Daisetz Teitaro Suzukis, die ich wörtlich zitieren möchte: Die Kunst ist vollkommen erst, wo sie aufhört, Kunst zu sein, das heißt, wenn die die Vollkommenheit des Kunstlosen erreicht. Ihre Frage nach der Zielsetzung beantwortet sich also zum einen in der Bewegung in Richtung des akustischen und visuellen Buchs der Zukunft, der ich zum anderen dialektisch eine Kunst des Augenblicks zugeordne: etwa in der Kunst des Aquarells, der Tusche, des Zufalls (u.a. Collage). Das Ganze verstehe ich dann als Bewegung in Richtung eines Nichts im Sinne der Pascalschen "Pensées", des Mu, wie es dem Zen-Buddhismus vorschwebt. So daß das Ziel letztlich nicht nur die Bücher der Zukunft, sondern zugleich auch ihre Auflösung, ihr Verschwinden im Nichts wären.

Welche Berührungspunkte/Kontakte zu Japan gibt es? Und wie ist Ihr Verhältnis dazu?

Zunächst waren es die üblichen Kenntnisse über Sumo, das Noh-Spiel, das Kabuki- und Bunraku-Theater, die Holzschnitte, die Gedichtformen des Haiku und Tanka/Waka. 1962 habe ich zufällig in Darmstadt eine Ausstellung moderner Sho-Kunst gesehen, die mich tief beeindruckt hat, zunächst eher fragend, dann auch praktisch. Da seit Anfang der 60er Jahre die Stuttgarter Schule/Gruppe künstlerische Kontakte zu den japanischen Konkreten hatte, kam es bald auch zu einem direkten Austausch, z.B. mit meinem Kollegen Hiroo Kamimura (gemeinsame Texte, Pinselarbeiten, mailart), dem Schriftsteller Syun Suzuki (Renshi) und vor allem mit dem Sho-Meister Kei Suzuki, mit dem ich mehrfach in Japan und auch in Deutschland ausgestellt habe. Was nicht heißen soll, daß sich der künstlerische Dialog vor allem auf Japan bezieht. Er schließt genauso intensiv andere Länder, vor allem französische und tschechische Künstler mit ein in einen internationalen Dialog, dem ich auch den recht intensiven Austausch von mail art zurechne. Wenn Sie die deutsche Ausgabe von Bohumila Grögerová/Josef Hiršals Memoiren "Let Let" aufschlagen, deren Übersetzung 1995 im Droschl-Verlag erschienen ist, werden Sie im Register mit zahlreichen Nennungen auch die Mehrzahl der Autoren finden, mit denen ich in diesem Jahr ein japanisch / französisch / tschechisch / türkisch / deutsches Kettengedicht geschrieben und veröffentlicht habe, Autoren, die in den 60er Jahren oft enge Kontakte zur "Stuttgarter Gruppe" bzw. "Schule" hatten, so Ilse und Pierre Garnier, Yüksel Pazarkaya u.a.

Was ist unter "Stuttgarter Schule" bzw. "Stuttgarter Gruppe" zu verstehen?

Es ging uns in den 50/60er Jahren in Stuttgart nicht nur um Literatur (und Kunst), sondern auch um die Rede über Literatur (und Kunst), und das sowohl praktisch wie auch theoretisch. Um dies auseinanderhalten zu können, haben Elisabeth Walther-Bense und ich vor einigen Jahren vorgeschlagen, unter "Stuttgarter Schule" die ästhetischen und semiotischen Theorien Benses und seiner Schüler zu subsumieren, als "Stuttgarter Gruppe" dagegen die Künstler zusammenzufassen, die im Umkreis Max Benses, der Zeitschrift "augenblick" und der Publikationsfolge "rot" gearbeitet, diskutiert und z.T. auch heftig gestritten haben. Die "Manuskripte" haben seinerzeit eine Stuttgart-Nummer herausgebracht, die nicht nur das einzige Manifest der Stuttgarter Gruppe/Schule von Max Bense und mir, sondern auch Beiträge enthält von nicht in Stuttgart lebenden Künstlern, die wir damals dazu rechneten. unter anderem Ernst Jandl.

Wie stehen Sie zu Ernst Jandl?

Ich habe 1963 in meiner Anthologie "zwischen räume" als erster eine größere Menge Jandlscher Texte veröffentlicht. Dazu stehe ich heute noch, auch wenn sich die persönlichen Kontakte nach den 60er Jahren gelockert haben. 1994 habe ich auf dem Jandl-Symposium in Prag, "Slovo, telo, hlas" (Wort, Körper, Stimme), über "Ernst Jandl und Stuttgart" referiert und dabei die Frage zu beantworten versucht, wie konkret Ernst Jandls Texte seien.

Was sind Zwischen Räume?

Zunächst einmal ist es ein Titel, den ich 1963 meiner Anthologie gab, weil ich überzeugt war, daß die Texte der dort versammelten Autoren Zwischenräume zwischen den damals gängigen literarischen Mustern besetzten. Aber Zwischenraum hat für mich zweitens eine grundsätzliche Bedeutung als Raum, den ich für mich in Anspruch nehme und dem mein Interesse gilt. Ich meine damit die Räume zwischen Literatur und bildender Kunst oder Musik, den Raum zwischen dem Schwarz der Tusche und dem Weiß des Papiers, dem weissen Papier und der schwarzen Letter, die Räume zwischen den Elementen der Collage undsoweiter. Das ist also ziemlich komplex.

Worin besteht der Unterschied zwischen akustischem Text / konkreter Poesie / visuellem Text?

Ich vermute, Sie spielen auf die große Amsterdamer Wanderausstellung aus den Jahren 1970/1971 an, die wir von Stuttgart aus mit aufgebaut haben. Wir hatten damals den Begriff konkret übrigens mit einem deutlichen Fragezeichen versehen, da er uns inzwischen zu abgegriffen und auch zu eng gefaßt schien, da er sich fast ausschließlich am Bildkonkretismus orientierte und von Gomringers "konstellationen" und Manifesten herschrieb. In Wirklichkeit muß der Begriff nämlich viel weiter gefaßt werden. Arp hatte bereits, bevor Gomringer den Begriff populär machte, für seine und Hugo Balls Zürcher Cabaret-Beiträge aus dem Jahr 1916 Vorläuferschaft reklamiert und Kandinskys "Klänge" als erste Beispiele konkreter Poesie benannt. Auch wird immer unterschlagen, daß vor Gomringers Manifest "vom vers zur konstellation", das den Begriff übrigens noch nicht kennt, 1953 der schwedische Künstler Öyvind Fahlström das erste "Manifest für konkrete Poesie" publiziert hat, wobei er einmal das Epiteton konkret mehr im Anschluß an konkrete Musik als an Bildkonkretismus verwendet und zum anderen mit den griechischen Bukolikern und Alexandrinern, mit Rabelais, Gertrude Stein, Schwitters, Artaut, Lewis Caroll und anderen eine Ahnenreihe von - wie er es nennt - "Formalisten und Sprachknetern aller Zeiten" aufstellt. Eine solche Traditionslinie, auf die sich auch Bob Cobbing im Amsterdamer Katalog bezieht, setzt praktisch Sprachexperiment und konkrete Literatur gleich. Vor allem aber weist sie der konkreten Poesie etwas zu, das Gomringer und die Schweizer Bildkonkretisten und -puristen ihr dann ausgetrieben haben: Witz und Humor.

1965 haben Sie für zwei Nummern der österreichischen Literaturzeitschrift "Eröffnungen" eine kleine Anthologie der Pataphysik zusammengestellt,

wobei mir Ludwig Harig und Eugen Helmlé kräftig geholfen haben.

Was heißt Pataphysik?

Das Collegium Pataphysicum wurde 1949 in Paris gegründet. Es bezog seinem Namen von Alfred Jarrys "Neowissenschaftlichem Roman" "Gestes et opinions du docteur Faustroll, pataphysicien", rechnet(e) zu seinen Vorläufern u.a. Rabelais und zu den Mitgliedern u.a. Ionesco, Queneau, Dubuffet. Wir müßten jetzt die beiden Nummern der "Eröffnungen" durchblättern und -sprechen, vor allem Roger Shattucks Essay aus der "Evergreen Review": "An der Schwelle der Pataphysik". Das ist in der Kürze eines Gesprächs schlecht möglich. Und so verweise ich lediglich darauf, daß sich die genannten Namen leicht den von Fahlström so genannten "Sprachknetern und Formalisten" zurechnen lassen und - aus meiner Sicht - ebenso ins Umfeld der konkreten Poesie rücken wie allgemein die großen Humoristen, deren Lektüre oft die einzige Möglichkeit ist, sich den Eitelkeiten des Kunstmarkts und den Oberflächlichkeiten des Kunstbetriebs zu entziehen.

Sie haben sich in den 70er Jahren aus dem Kunstbetrieb zurückgezogen und nur noch für die "black box" produziert. Wie ist das zu verstehen?

Der Rückzug hatte mehrere Gründe, der Wegzug von zwei Künstlerfreunden aus Stuttgart, vor allem der tragische Unfalltod eines Malerfreundes. Hinzu kam ganz entschieden die politische Entwicklung in der damaligen CSSR, in der ich gute Freunde hatte, zu denen plötzlich alle Kontakte abgebrochen waren. Freunde, die ich kurz zuvor noch mit dem Bekenntnis verblüfft hatte, lieber in Prag als in Stuttgart leben zu wollen, was natürlich auch private Gründe hatte. Prag war (und ist eigentlich bis heute) für mich eine Geliebte.

Und Paris?

Paris auch. Aber anders, weniger konkret: après l'orage. Um aber auf Ihre Frage zurückzukommen. Die Gründe für das Zurückziehen waren also einmal privater Natur. Hinzu kam, daß mich die Inflationierung der konkreten Poesie, Kunstmarkt und -betrieb begannen, so sehr anzuekeln, daß ich für längere Zeit weder veröffentlichte noch ausstellte, weder Lesungen machte noch Ausstellungen eröffnete. Natürlich habe ich auch in den 70er Jahren weitergearbeitet. Aber alles, was damals entstand, ging in die black box. Der Begriff stammt aus der Kybernetik, die uns damals bei unseren ästhetischen Diskussionen interessierte, und bezeichnet den Teil eines kybernetischen Systems mit unbekanntem inneren Aufbau und Ablauf der internen Vorgänge. Ich habe dies für mich und auf mein Arbeiten übertragen. In den 80er Jahren habe ich dann zwar wieder eröffnet, ausgestellt, publiziert, aber oft eher zufällig, jedenfalls weit entfernt vom Optimismus der 60er Jahre.

Was haben Sie aus den wilden 60er Jahren herübergerettet?

Nun, meine ästhetischen Programme an denen/mit denen ich weiter gearbeitet habe, die sich auch durch viele (vor allem internationale) künstlerische Kontakte erweiterten. Natürlich gibt es manches noch Unveröffentlichte, u.a. ein "Portrait Gertrude Stein", das mir deshalb einfällt, weil ich es seinerzeit auch den "Manuskripten" anbot, wir uns dann aber für Auszüge aus dem gleichzeitig entstehenden "Buch Es Anna" entschieden.

Was halten Sie vom "Forum Stadtpark"?

Eine ganze Menge, wenn das Bild, das ich mir von seiner Entwicklung aus der Ferne und vom Hörensagen gemacht habe, richtig ist. Anfang der 60er Jahre - damals schrieb Peter Handke noch Kriminalromane - habe ich dort einmal zwei Vorträge gehalten, davon einen über visuelle Poesie. Auch haben wir 1965 in Stuttgart und Saarbrücken eine Ausstellung von Künstlern des "Forum Stadtpark", von Waldorf, Moswitzer, Staudacher, Maly und Hartlauer gezeigt, die ich eröffnete. Ich darf aus meinem kleinen Katalogvorwort zitieren:

"Die Geschichten um dessen [= des Forums Stadtpark] Entstehung sind nahezu Abderiten-Geschichten. Zwar: die Grazer Stadtväter sind keine Abderiten und Graz ist nicht Abdera. Aber Graz liegt in der Steiermark. Und was das politisch bedeutet, weiß man oder will es nicht wahrhaben. Immerhin hat das Forum Stadtpark als Vereinigung progressiv gesinnter künstlerischer Kräfte die fragwürdige Ehre, im Grazer Stadtpark in einer Art geistigen Exils zu leben und zu arbeiten. Daß Exil dabei nicht Isolation bedeutet, verdankt das Forum Stadtpark seine internationalen Kontakten. Als Künstlergruppe war es etwa nach Zürich und München eingeladen; Pierre Garnier wies in "Les lettres" ausdrücklich auf Graz als ein Zentrum experimenteller Poesie, auf die "Manuskripte" als ein wesentliches Organ moderner literarischer Strömungen hin."

Welche Erwartungen haben Sie an eine Einrichtung wie das Forum Stadtpark?

Hier wird man wohl trennen müssen zwischen Innen und Außen. Zu Innen: ich lebe nicht in Graz, kann also kaum beurteilen, welche kulturellen Aufgaben und Möglichkeiten das Forum Stadtpark hier hat. Wenn ich unterstelle, daß die kulturelle Situation in Graz sich allenfalls graduell von der anderer größerer Kommunen unterscheidet, besteht eine Aufgabe wohl darin, weiterhin Kunst dort zu machen, wo sie niemand erwartet, um mit Dürrenmatt zu sprechen. Vor allem wird man sich, bei weiteren Einschnitten ins soziale und kulturelle Netz, fragen müssen, wie man gegenüber offizieller Kulturarbeit, künstlich beatmeten Kulturleichen einen lebendigen, auch anarchisch kulturellen Untergrund schaffen kann, auf dem allein Kultur sich weiter entwickelt.

Nach Außen ist das Forum Stadtpark einer der wenigen kulturellen Orte Österreichs, der nicht-offizielle, nicht-sanktionierte Kunst vermitteln kann, und damit eines der inzwischen raren experimentellen Spielfelder, die ein kulturelles Außen und Innen verbinden können. Ein Ort damit auch des von mir für die Zukunft favorisierten Dialogs, der allein ein kulturelles Überleben garantiert, - über national gestrickte Grenzen hinaus.

Mit welchen ZeitgenossInnen/KollegInnen würden Sie sich gerne in einem Atemzug nennen lassen? Wo sehen Sie Affinitäten/ Parallelen?

Grundsätzlich scheint mir wichtiger, daß Sachen, Ergebnisse genannt werden, hinter denen natürlich immer Zeitgenossen und Kollegen (die weibliche Form stets mitgemeint) stehen. Wenn ich es mir aussuchen könnte, wären mir die echten Humoristen, die es mit dem umgekehrt Erhabenen treiben, die Liebhaber des Paradoxen und die Träumer als Gesellschaft am liebsten, diejenigen, die von der Vergeblichkeit wissen und dennoch das Unmögliche für möglich halten und es möglich zu machen versuchen. Ich habe solche Freunde und einige von ihnen schon genannt. Im "Literarischen Quartett" fänden sie alle keinen Platz. Aber ich finde meine Dialogpartner auch in der Vergangenheit, in Arbeiten, die lebendiger und anregender geblieben sind als das, was in Mehrheit unsere Buchmessen und Kunstmärkte heimsucht.

Zu welchem Bereich/Personen empfinden Sie die größte Distanz?

Zum schon genannten "Literarischen Quartett", der Frankfurter Buchmesse, dem offiziellen Theater- und Konzertbetrieb, dem Kölner Kunstmarkt und Ausstellungen, bei denen die Besuchermasse zum Qualitätskriterium gemacht wird. Oder anders ausgedrückt: zur kulturellen Unterhaltungsindustrie bzw Eventkultur, wobei ich den Sport und die Fernsehauftritte mediengeiler Politiker mit einschließe. Ich möchte hinzufügen, daß auch zur Universität, wie sie sich heute darstellt, der Abstand immer größer wird. Wie mir eigentlich immer weniger etwas bedeutet, dieses Wenige aber immer mehr.